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Impuls zum 25. Juni 2023

Zum 12. Sonntag im Jahreskreis A

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im Bundesvorstand

Furchtlos wie die Spatzen

1. Lesung: Jer 20, 10-13
Der Warner vor der Kriegskatastrophe wird verfolgt

2. Lesung: Röm 5, 12-15
Der alte und der neue Mensch

Evangelium: Mt 10, 26-33
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln:
Fürchtet euch nicht vor den Menschen!
Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird,
und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.
Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht,
und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!
Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können,
sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!
Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig?
Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters.
Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.
Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.
Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt,
zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.
Wer mich aber vor den Menschen verleugnet,
den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

Gedanken zum Evangelium
„Jeden Morgen sollte unser erstes Werk dieser Vorsatz sein: Ich werde niemanden auf Erden fürchten. Ich werde nur Gott Ehrfurcht erweisen… Ich werde Unwahrheit durch Wahrheit besiegen. Und im Widerstand gegen Ungerechtigkeit werde ich alles Leiden hinnehmen.“ Diese Haltung von Mahatma Gandhi klingt wie eine Übersetzung des heutigen Evangeliums und wie hineingesprochen in heutige Konflikte, in denen Menschen weltweit verfolgt werden und Gewalt erfahren, auch in unserem Land.
Die Freiheiten, die wir haben, die Eingrenzung von staatlicher oder wirtschaftlicher Macht, die Achtung von Menschenrechten, die Regelung von Konflikten durch Recht und Verhandlungen sind deshalb möglich geworden, weil es Menschen gab, die sich nicht gefürchtet haben und die im Widerstand gegen Ungerechtigkeit Leiden erduldet haben. In diesem Jahr wurde erinnert, dass vor 175 Jahren 1848 und vor 50 Jahren 1953 in der DDR Menschen riskiert haben, dass sie verfolgt oder umgebracht wurden, weil sie sich nicht mehr mit Willkür, Machtmissbrauch und Unrecht abgefunden haben. Auch die friedliche Revolution 1989 war möglich, weil bei vielen der Mut größer war als die Furcht, weil sie sich gegenseitig bestärkt haben und weil sie konsequent auf Gewalt verzichtet haben. 

Wie sehr unsere Gesellschaft auf Zivilcourage angewiesen ist, zeigen Übergriffe gegen Geflüchtete und schutzlose Menschen und Hassreden. Vor vier Jahren wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses ermordet, weil er sich für geflüchtete Menschen und die Werte des Grundgesetzes einsetzte. Dem Mord ging eine Hetze im Internet voraus. Nach einer Umfrage für Report München gaben 2022 72 % der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland an, dass sie bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen wurden. An manchen Orten finden sich keine Menschen mehr, die bereit sind, diese Aufgabe für ihre Gemeinde zu übernehmen.

Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Wie ein Refrain durchzieht diese Aufforderung Jesu das heutige Evangelium. Der Evangelist Matthäus hat es geschrieben in einer Gemeindesituation, 50 Jahre nach Jesu Tod, in der Menschen wegen ihres Glaubens ausgestoßen, verfolgt und gedemütigt wurden. Wer sich auf den Weg seines Reiches der Gerechtigkeit und des Friedens senden ließ, konnte schon früh in Konflikte und Verfolgung geraten. 

Jesus stellt seinen Boten noch eine größere Gefahr vor Augen als ihr Leben zu verlieren, nämlich die, ihre Seele zu verlieren. Gefährlicher als diejenigen, die den Leib töten, sind die, die die Seele vergiften durch Hass, durch Hetze und die Zerstörung der Menschenwürde. Und oft gehen Hetze und Rufmord dem Mord voraus. Wird die Seele vergiftet, kann in ihr Rache, Gewalt und Hass Macht gewinnen. Durch Hass und Demütigung wird Jesus und auch die Güte Gottes „vor den Menschen verleugnet“. 

Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Es ist das Vertrauen in den Vater im Himmel. Und es ist ein starkes und berührendes Bild, das Jesus ihnen gibt: Die Spatzen schweben in der Luft ohne Angst, abzustürzen. In ihrer Freiheit sind sie von Gott behütet. So können auch wir vertrauen und Gutes tun. 

Dies ist der Wille des Vaters im Himmel. Er kennt die Zahl der Haare auf unserem Kopf, unsere Gedanken, die Zweifel in unserem Herzen, aber auch unseren guten Willen und die Fähigkeit zum Guten und zum Mut. Im Vertrauen und im Tun erfahren wir es, zeigt es sich uns. Vielleicht ist es unspektakulär, was wir tun können, damit aus Angst und Missgunst Vertrauen wächst. 

Es kann aber auch Erstaunliches offenbar werden, Menschen wachsen über sich hinaus, die sich dies nie zugetraut hätten. Sie erfahren, dass Gott in der Tiefe ihres Vertrauens bedingungslos zu ihnen steht und ihnen Kräfte zuwachsen lässt, die sie zu Boten des Himmels werden lässt. Sie können Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die Kreisläufe von Gewalt, Hass und Vergeltung durchbrechen und heilen. Solche Boten des Himmels waren Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Oscar Romero, ein vorsichtiger Bischof in El Salvador, der die reiche Oberschicht und die Soldaten anflehte, das Morden und das Unrecht zu beenden. Solche Boten des Himmels gibt es auch heute, vielleicht lesen sie gerade diesen Beitrag.
„Die Macht, die den Menschen für kurze Zeit auf dieser Erde gegeben ist, ist nicht ohne Gottes Wissen und Willen. Fallen wir in der Menschen Hände, trifft uns Leiden und Tod durch menschliche Gewalt, so sind wir doch dessen gewiss, dass alles von Gott kommt. Wir sind in Gottes Händen! Darum fürchtet euch nicht!“
Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945): Nachfolge, 1937

 „Wer die Wahrheit nicht kennt, ist bloß dumm, wer aber die Wahrheit kennt und verschweigt sie, der ist ein Verbrecher.“ 
Bertolt Brecht in „Das Leben des Galilei“

„Der Glaube gibt uns weder die Illusion, wir könnten von Leid und Schmerzen ausgenommen werden, noch lässt er uns annehmen, das Leben sei ein Schauspiel ohne dramatische Augenblicke und Verwicklungen. Vielmehr wappnet er uns mit der inneren Ausgeglichenheit die wir brauchen, um den unvermeidlichen Spannungen, Lasten und Ängsten entgegenzutreten.“
Martin Luther King

Jeden Morgen
Jeden Morgen sollte unser erstes Werk dieser Vorsatz sein:
Ich werde niemanden auf Erden fürchten.
Ich werde nur Gott Ehrfurcht erweisen.
Ich werde niemandem mit Ablehnung begegnen.
Ich werde keine Ungerechtigkeit hinnehmen,
egal von wem sie ausgeht.
Ich werde Unwahrheit durch Wahrheit besiegen.
Und im Widerstand gegen Ungerechtigkeit
werde ich alles Leiden hinnehmen.
Mahatma Gandhi

Gebet
Bruder Jesus, 
von dir möchte ich lernen,
mich nicht vor den Menschen zu fürchten
und nicht mit den Wölfen zu heulen.
Von dir möchte ich lernen,
dass mein Leben in Gottes Hand liegt
und ich nicht tiefer fallen kann als in Gottes Hand.
Von dir möchte ich lernen, zu vertrauen,
furchtlos und frech zu leben wie die Spatzen
und mutig und fröhlich zu sein.
Von dir möchte ich lernen, meine Seele zu bewahren
vor Missgunst und Hass und dem Glauben, dass Gewalt hilft.
Von dir möchte ich lernen, zu sagen, was die Liebe lehrt 
und der Weg der Gerechtigkeit und des Friedens.